Sprache in Pressemitteilungen der Polizei
Sprache bestimmt das Bewusstsein. Regelmäßig verwendete Formulierungen prägen unsere Wahrnehmung von Geschehnissen, die wir selbst nicht erlebt haben und können so unsere Einstellungen beeinflussen. So auch in Pressemitteilungen.
Dinge zu hinterfragen und sprachsensibel zu sein, kann dagegen Klarheit schaffen und zu einer objektiven Sicht von Sachverhalten beitragen.
Nach den gleichen Kriterien, die die Jury bei der Wahl des „Unwortes des Jahres“ einsetzt, möchten wir hier den Blick auf beschönigende, verschleiernde oder irreführende Formulierungen richten, die die Polizei in ihren Pressemitteilungen über Verkehrsunfälle mit Fußgänger- oder Radfahrerbeteiligung verwendet. Dies soll keine Zensur sein, sondern der Anregung von Diskussionen über den öffentlichen Sprachgebrauch und seine Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben dienen.
Polizeipressemeldungen werden oft aus der Sicht des unfallverursachenden Autofahrers formuliert (Windschutzscheibenperspektive). Der Unfallverlauf (wer fuhr woher, in welche Richtung?) oder die Rechtslage am Unfallort (wer hatte Vorrang oder Vorfahrt?) bleiben manchmal unklar. Häufig werden beschönigende Formulierungen (übersah) oder eine unzutreffende Wortwahl (verletzte sich selbst) verwendet. Mitunter wird eine gewisse Mitschuld des Unfallopfers durch fehlende Schutzausrüstung oder Sichtbarkeit suggeriert (trug keinen Helm oder dunkle Kleidung), obwohl der nicht regelbeachtende Autofahrer die alleinige Unfallursache setzte.
Die vom Innenministerium NRW zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei erlassenen Regelungen (RdErl. d. Ministeriums für Inneres und Kommunales v. 15.11. 2011-SMBl. 2051) werden nicht immer beachtet.
Eine exemplarische Auswahl von Pressemitteilungen mit Korrekturvorschlag siehe PDF-Datei im blauen Downloadbereich.
Wenn die Unfallzahlen wirksam in Richtung vision zero (Null Verkehrstote bzw. Schwerver- letzte) reduziert werden sollen, dürfen die Berichte über Unfallopfer nicht achselzuckend als „Kollateralschäden“ unseres Straßenverkehrssystems hingenommen werden. Die bisherige Berichterstattung, die mit unzutreffenden Formulierungen beschwichtigt und bagatellisiert, muss endlich die tatsächlichen Umstände und Verantwortlichkeiten benennen, damit Leser für die lebensgefährlichen bis tödlichen Auswirkungen sensibilisiert und zu Verhaltensände- rungen veranlasst werden.
Vertreter unserer AG Verkehrspolitik sind seit August 2020 mit der Kreispolizei und deren Pressereferenten im Gespräch, um zumindest für den Zuständigkeitsbereich des Kreises Mettmann eine verbesserte Berichterstattung zu erreichen. Trotz guten Willens auf Seiten der Polizei und einiger Anfangserfolge stellen sich bei wechselndem Personal in der Presse- stelle und Vertretungskräften in der Leitstelle unsere Bemühungen als Daueraufgabe dar.
Nachstehend sind zur Vertiefung des Themas einige links zu lesenswerten Quelldokumenten aufgeführt:
„Konnte nicht mehr bremsen“: Wie Polizeimeldungen Autounfälle verharmlosen - Berlin - Tagesspiegel
Radfahren in Stuttgart: Der Zynismus von Unfallmeldungen (dasfahrradblog.blogspot.com)
Unfallberichte (mobilogisch.de)
ADFC kritisiert Polizei-Meldungen: Unfallverursacher nicht unsichtbar machen
Georg Blanchot 28.02.2021